Antje Engelmann

Renate, 2005

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Antje Engelmann begleitet ihre Tante, die über 50-jährige Prostituierte Renate, von Ulm über Hamburg nach Berlin. Die Reise quer über Deutschlands Autobahnen an die früheren Wohn- und Arbeitsorte der Protagonistin wird zum Sinnbild einer Lebensgeschichte. Der Betrachter wird Zeuge des Lebensweges einer Frau, die den Weg in ein Abenteuer gesucht hat. Doch dessen glamouröser Schein ist längst abgeblättert. Von Bitterkeit aber keine Spur: Renates Erzählungen von schnell verdientem Geld und dem Gefühl, begehrt zu werden, veranschaulichen vielmehr ihren übermächtigen Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit. Diese Geschichten demonstrieren, dass Renate das Anbieten ihres Körpers nie als Demütigung empfand, sondern vielmehr als Ausdruck eines alternativen Lebensgefühls. Prostitution war für sie kein Geschäft, sondern bot ihr die Möglichkeit der Persönlichkeitsbildung durch eine aktive und überdies bezahlte sexuelle Kultur. So blickt sie nicht bitter, sondern weitgehend amüsiert auf ihre aufregende Vergangenheit zurück, die allerdings – so ihr Resümee – an einem Punkt auch ein Ende hätte finden müssen. Kritisch und nüchtern reflektiert sie die Vorlieben ihrer Kunden, die finanziell prekäre Situation von Prostituierten wie auch die langfristigen Konsequenzen, die Prostitution nach sich ziehen kann – schließlich stürbe in diesem Beruf »die Seele jeden Tag ein Stück«. Antje Engelmann begleitet Renate mit einer Handkamera und richtet die Linse allein auf ihr Gegenüber. Sie ist eine Beobachterin, die zwar die Erzählung strukturiert, Renate jedoch keine Fragen oder moralischen Bedenken entgegensetzt.

(Text: Hannes Loichinger)

HD-Video, 54 Minuten, Format 4x3, Stereo, Farbe, 2005